Es ist Alltag in Deutschland. Die Proteste in Deutschland weiten sich aus auf den Adenauer-Staat, die Gesellschafts-Eliten und ihre herrschende Moral. Wichtiger noch: die Anti-Baby-Pille zerbricht das christliche Sexual-Regiment.

Die Beat-Kultur wird zu einer internationalen Jugendsprache und die Amerikaner bomben weiter in Vietnam. In kleinen politischen Kreisen fangen Proteste der linken Studenten an. Sie wollen die Arbeiter befreien, aber ohne sie vorher zu fragen.

1965: Die Kneipenzeit und Essen bei Aschinger

Für mich gilt das alles noch nicht. Für mich ist es noch die Kneipen- und Saufzeit. Ich habe noch nicht verstanden, worum es geht. 1965: Die Kneipenzeit

Meine Welt besteht trotz Philosophie-Studium aus den Kneipen in Kreuzberg und Charlottenburg, Jazz-Lokale, GI-Schuppen wie der Star-Club in der Hauptstraße, Leydicke, wo man sich für wenig Geld mit Obstwein besaufen kann. Ich habe meinen Tages-Rhythmus auf die Kneipen eingestellt, gehe manchmal erst nach Hause, wenn die Berliner zur Arbeit fahren. Weiterlesen:  1965: Essen bei Aschinger

1965: Sommer in Schweden

Urlaub in Strömstad, Westküste. Schären-Landschaft. Foto: privat

In Strömstad gibt es keine Kneipen, keine Eisdielen, nur ein Café, einen kleinen Holzbau mit einer engen Wendeltreppe nach oben, wo ein Balkon ist zur Straße hin, das Kaffedoppet. Dort sitzt eine kleine Schwedin, vielleicht 17 Jahre alt, eine dünne weiß-blonde Elfe, ganz schmal und gelenkig, kaum Brust, aber mit einem Elfen-Gang, hej, Mann, schau dir das an, so biegsam!  Und sie lacht ein lautloses Mitt-Sommer-Lachen und schaut den Männern durch die Pupille bis in die Kniekehlen. Die Weiß-Blonde heißt Bo.

Neben ihr die Freundin, die sanfte, runde, weiche Kristin. „Hej!“, sagen wir und die Mädchen sagen auch „Hej“. Zint hat sich Bo ausgesucht und für mich bleibt Kristin. Sie schaut mich an über den Tisch mit braunen Au­gen, die sagen: Willst du wissen, was ich denke?  Weiterlesen:  Strömstad 1965: Kristin und Bo

Das Jahr 1965: Im Herbst komme ich aus Schweden zurück nach Berlin, mitten hinein in die kleinen und großen Probleme. Nichts hat sich geändert. aber das Studium ist inzwischen völlig sinnlos geworden.

1965: Das Philosophiestudium

Noch bin ich eingeschrieben bei der Freien Universität, immer noch Philosophie, aber ich habe nicht vor, in die Vorlesungen zu gehen. Das Studium ist schon fast erledigt. Es ist ein surreales Studium, Hegel und so‘n Zeugs. Ich kann das inzwischen nur noch als experimentelle Lyrik lesen. Weiterlesen:  Ich lerne denken – Mein Philosophie-Studium

Soll ich etwa Philosoph werden? Was für eine blöde Idee. Vielleicht in einer Werbe-Agentur philosophischer Fach-Referent zur Vervollkommnung der daseins-bezogenen Umsätze werden?

Ja, das hätte ich mir alles zum Beginn des Studiums überlegen sollen. Hab ich aber nicht. Und so sitze ich in den Vorlesungen mit dem gesammelten deutschen Unsinn.

Aber es gibt lehrreiche Filme im Kino.

1965: Lehrreiche Filme

Lehrreiche Filme (1) – Die Marx-Brothers im Krieg

Lehrreiche Filme (2) – Viva Maria

In Wilmersdorf, in der Uhlandstraße 60, finde ich eine Wohnung. Es ist ein großer Raum im Hinterhof, ebenerdig, keine Stufen, wohl ein ehemaliges Lager, vielleicht auch ein Fleischer-Laden. Du machst die Tür auf und stehst gleich im Schlafzimmer, das kopfhoch weiß gefliest ist, mit einem Öl-Ofen, einer Toilette und einer Koch-Ecke.

1965: Arbeit bei der Bank

Ich finde bei den Trödlern Bett-Matratzen, die auf dem Boden liegen. Ein paar Bretter auf Kisten gelegt, das ist der Tisch. Das Wichtigste aber ist die Musik-Anlage.
Ein Uher-Tonband-Gerät mit 38-er Geschwindigkeit und großen Spulen, abgestaubt in einem Aufnahme-Studio. Ein großer Verstärker, dazu habe ich Lautsprecher-Boxen selber gebaut, jede etwa ein Meter hoch, ein Meter tief, Riesen-Klopper, unverkleidet, rohe Bretter. Wenn ich die Bässe aufdrehe, kann ich den Nachbarn im Stock über mir aus dem Bett schütteln.

Die Wohnung ist nicht weit weg vom Kudamm, ich bin mal wieder mitten drin im Kiez, alle wichtigen Kneipen sind in Reichweite.

Mit Chris läuft es nicht mehr, deutlicher: es ist aus, endgültig.

Sie will heiraten, ein Kind haben. Für mich ist das, so schreibe ich ins Tagebuch, das Ende meiner Laufbahn als Genie und Weltveränderer. Wir einigen uns: ich will nicht und sie macht Schluss.

Ich schütte Alkohol in mich rein und trauere tagelang, bis ich kein Geld mehr habe.

Weiterlesen: Dann bekomme ich Arbeit bei der Bank.

 

Was sonst passiert ist: Die Jahreschronik 1965

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