Die wirren Zeiten der Glasers produzieren viele wirre Geschichten, die in unseren ruhigen Zeiten nur schwer zu verstehen sind. Eine davon spielt 1945 und danach.

1945 landen die Glasers und ihre Verwandten in einem der 1200 Flüchtlingslager. Eines ist bei Droyssig im Kreis Zeitz, Sachsen-Anhalt. Es heißt Hassel.

Aber der Krieg ist für sie noch nicht zu Ende. Die Russland-Deutschen geraten wieder in die Mühlen der Politik.

Was tun mit den Deutschen?

Es gibt 1945 den Morgenthau-Plan der Amerikaner, nach dem Deutschland wieder ein Agrarland werden soll. Es gibt Vernichtungs-Phantasien wie sie der britische Stadtkommandant in Berlin Montgomery hat und es gibt die brutale Praxis der Franzosen, die auf den Rheinwiesen 1 Million deutsche Kriegsgefangene umbringen, durch Hunger, Krankheit und Erschießung. Die Soldaten müssen da auf offener Wiese, ohne Schutz, den Winter überstehen.

Die Briten, Holländer, Belgier, Franzosen beschäftigen deutsche Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter, gegen die internationalen Abkommen. Man sieht: die Alliierten meinen es 1945 nicht gut mit den Deutschen.

Die Russen schon gar nicht. Sie haben die typisch kommunistische Idee, dass die Deutschen als Zwangsarbeiter Russland wieder aufbauen sollen. So etwa 3 Millionen wollen sie haben, so ihre Pläne. Und sie meinen es ernst.

Deportation

Anfang 1945 haben die Alliierten eine Konferenz in Jalta. Sie beschließen, dass die Sowjetunion ca. 300 000 Menschen „repatriieren“ darf. Außerdem kann sie deutsche Arbeitskräfte als „lebende Reparationen“ nach Russland transportieren.

Zwischen Januar und April 1945 fangen die Sowjets etwa 500 000 Menschen ein und schaffen sie nach Osten. Nach Schätzungen sterben davon 45 Prozent.

Als besondere Gruppe gelten die Russlanddeutschen. Sie sind, nach sowjetischer Auffassung, zum Feind übergelaufen. Es sind Verräter, die pauschal 25 Jahre Zwangsarbeit bekommen. Sie werden nach Sibirien deportiert. An die 100.000 sind auf dem Gebiet der künftigen DDR.

Die westlichen Sieger haben auch 150.000 Russlanddeutsche gefangen. Es sind Flüchtlinge oder Deutschstämmige, die in der Wehrmacht dienten. Die Hälfte davon wird an die Sowjets übergeben gegen Anrechnung von 2 Dollar 95 pro Stück als Reparations-Leistung.

Die Familie

Bei meiner Oma ist Menschenhandel nicht nötig, sie kostet nichts. Sie zeigt ihre Einbürgerungs-Papiere. Da steht: ehemals Sowjetunion. Das reicht. Sie hat die Sowjetunion verraten, ist Deutsche geworden. 25 Jahre Zwangsarbeit.

Sie und ein Teil der Familie wird in Viehwaggons abtransportiert nach Sibirien.

(wird ergänzt: Amilda erzählt: „wie wir abgeholt wurden“)

In Sibirien gibt es eine Tagebau-Grube, in der Asbest abgebaut wird. Das Lager und die Stadt heißen deswegen ebenfalls Asbest, auch heute noch.

Edmund Steinke, ein Cousin, wurde mit seiner Familie schon 1941 deportiert nach Kasachstan. Da war er vom Pass her Russe und 10 Jahre alt. Er lebte in Kasachstan in Erdhütten, die Familie wurde dann nach Asbest gebracht und dort traf er meine Oma und ihre Angehörigen. Er schildert, wie die Arbeit in der Grube war und das Leben in Kasachstan.

>>Edmund-Interview

Alle Zwangsarbeiter sind unter „Kommandantur“.  Das heißt, sie können sich in Asbest frei bewegen, dürfen es aber nicht verlassen. Einmal in der Woche müssen sie sich auf der auf der Lager-Kommandantur melden.  Die Oma stirbt dort 1955, noch „unter Kommandantur“.

1956 wird alles ein wenig leichter. Adenauer hat in Moskau verhandelt und die Russen brauchen dringend bessere Beziehungen zu Deutschland. Die meisten Kriegsgefangenen werden entlassen und die deutschen Sklaven-Arbeiter bekommen Erleichterungen.

Die Kommandantur wird aufgehoben. Es ist möglich den Wohnort zu verlassen, wenn die Anträge bewilligt werden.

Meine überlebenden Verwandten stellen einen Antrag auf Ausreise nach Kasachstan. Sie wissen nicht genau, wo das ist, aber dort soll es immer warm sein, haben sie gehört. So berichtet Amilda.

( wird ergänzt: Amilda:  Leben in Kasachstan)

Mein Vater

Er kannte die Russen, war schon mal deportiert, musste auch als Zwangsarbeiter im Donbas, dem ukrainischen Kohlenpott, arbeiten. Er hat alle Papiere vernichtet, verbrannt im Krieg erzählte er den Russen, zerbombt, verloren. Er bekommt neue. Da steht dann drin: geboren in Polen, also kein Sowjetverräter. Unsere Familie bleibt in Deutschland.

Ich hatte dann im Laufe meines Lebens immer Schwierigkeiten, weil ich keine Geburtsurkunde besaß, verlor später deswegen mein Uni-Stipendium.

Wir bekamen im Dorf eine Abstellkammer, ohne Wasser, ohne Toilette, aber mit Kanonen-Ofen, lebenswichtig 1946, es war ein kalter Winter. Dort begann dann mein Leben in Deutschland.

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