Eine europäische Biografie

Schlagwort: Deutschland

Hungerwinter 1946

Die Potsdamer Konferenz der Siegermächte hat im Sommer 1945 entschieden, der Lebensstandard der deutschen Bevölkerung wird niedrig gehalten. Das heißt: die Deutschen sollen hungern, denn, wie Roosevelt sagt, sie sind alle schuldig an den Nazis.

Hilfslieferungen des Roten Kreuzes an das geschlagene Land werden von den Alliierten untersagt. Im Winter 1945/1946 weisen die Militärbehörden irische und schweizerische Nahrungsmittelspenden ab. Sie empfehlen den humanitären Organisationen, ihre Güter in andere bedürftige Länder Europas zu schicken.

Feldmarschall Montgomery hält 1000 Kalorien pro Tag und Kopf für ausreichend. Er sagt, dass es im KZ Bergen-Belsen nur 800 Kalorien gab. Tatsächlich bekommen die Deutschen 900 Kalorien, 2400 wären nötig.

Es gibt Lebensmittelkarten in verschiedenen Farben: Schwerarbeiter, Normal-Arbeiter. Jene für Rentner heißt „Sterbekarte“.

Viele versuchen, ihre letzte Habe bei Bauern einzutauschen. Die lassen die Hungernden Scheiße fressen, weil sie die Kuhställe schon voller Teppiche haben.

Mein Bruder Waldemar hat davon erzählt. Er hat für 2,50 Mark pro Tag gearbeitet in Oldenburgischen, neben den Kühen im Stall geschlafen. „Bauer“ ist in unserer Familie ein Schimpfwort.

Dann kam, gottseidank, der Kalte Krieg. Auf einmal hatten die Amerikaner mehr Angst vor den Russen als vor den Deutschen. Wir alle haben also dem Kommunismus viel zu verdanken. Die West-Alliierten geben uns wieder was zu Essen, damit wir nicht kommunistisch werden.

Die Dänen sind unter den Ersten, die dann helfen. Mit ihren Hilfe-Paketen kann in Nord-Deutschland jedes Kind einen halben Liter Suppe in der Schule bekommen, Schul-Speisung heißt das.

Ich bekam allerdings in Droyssig dazu noch Lebertran, ein ekelhaftes Zeug, das gesund sein sollte.

Um die Deutschen vorm Kommunismus zu retten schickten nun Heilsarmee und Quäker aus den USA genug Essen, um 3,5 Millionen deutsche Kinder einmal am Tag eine Mahlzeit zu geben.

Tagesration März 1946 in Norddeutschland
für Normalverbraucher in Gramm

  • 180 Brot
  • 266 Kartoffel
  • 35 Nährmittel (Grieß, Haferflocken)
  • 16 Fleisch
  • 21,5 Fisch
  • 14 Fett (4 gr. Butter, 10 gr. Margarine)
  • 13 Zucker
  • 16 Marmelade
  • 2,2 Käse
  • 0,07 Liter Magermilch
  • 9 Ersatzkaffee (Mischung aus Gerste, Eicheln, Bucheckern)

In der Sowjetunion: Cousin Edmund erzählt

 

Paul Glasers Cousin Edmund hat 2011 aus dem Leben seiner Familie in den vierziger und fünfziger Jahren in der Sowjetunion berichtet. Hier sind seine Erinnerungen:

Ich bin in Romansdorf geboren, 1938. In Wolhynien, wie überall in der Sowjetunion liefen die Stalinschen Säuberungen. Einige Millionen wurden umgebracht, weil sie gegen die Sowjetmacht waren oder zur Abschreckung. Einige Onkel wurden auch nachts abgeholt von der Geheimpolizei, der NKWD und in an einen Graben bei Shitomir geführt und mit Genickschuss getötet. Auch mein Vater, der Edmund hieß wie ich. Ich war damals drei Jahre alt.

Allein 38.000 Deutsche kamen auf diese Art um, dazu auch andere, Ukrainer, Russen. Weiterlesen

1966: Die Beat-Welt

Paul Glaser mit Gitarren. Foto: Günter Zint

Zint ist, wie immer, ein Irrwisch. Er hat mehr Ideen pro Tag als er in einem Jahr umsetzen kann. Er will eben unbedingt berühmt werden. Gestern hat es nicht geklappt, aber er gibt dem Ruhm noch drei Wochen Zeit, sonst, wer weiß, was er sonst macht, aber es wird schrecklich sein.

Aber Zint hat auch Gespür.

Da gibt es diese neue Musik von jungen Leuten mit den langen Haaren, „Negermusik“, sa­gen die deutschen Wert-Konservativen. Das sind die jungen Leute, die gerade solange Musik stu­dieren, bis sie die Gitarre richtig rum halten können und dann schrammeln sie los mit drei Akkorden, aber volle Lautstärke. Weiterlesen

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