Als es schon dämmert, fällt mir ein, dass ich noch irgendwas essen muss. Ich gehe also zu Aschinger am Zoo, wo es sehr voll ist von Typen, die alle noch keinen Grund gefunden haben, nach Hause zu gehen.

Es ist ein großer überdachter Imbiss, in einer der Baulücken, die von amerikanischen Bomben gemacht wurden. Es ist so gemütlich wie in einer Tief-Garage, aber die Schrippen sind umsonst, wenn man eine Erbsen-Suppe bestellt.

Ein Weltenbummler mit Rucksack am Nebentisch aus dem Wedding braucht noch zwei, drei Bier, bevor er in seinen Hauseingang geht zum Schlafen. Er wankt am Steh-Tisch hin und her und unterhält sich intensiv mit seinem leeren Portemonnaie. Seinen Haushalt hat er in zwei Plastik-Tüten unter den Tisch gelagert.

Zwei junge Mädchen sehen ziemlich zerrupft aus. Sie ziehen die Bilanz der Nacht. Die strähnige Blonde meint, es war ein Verlustgeschäft. Sie hat sich schwer geirrt, weil sie geglaubt hat, dass Vergewaltigung was mit Sex zu tun hat, sagt sie. Er hat mir nur das Kleid zerrissen. Auf der Party haben alle zugeschaut, wie so ein Zwei-Zentner-Mann ihr die Unterhose runtergefetzt hat, die Bluse, ratsch und sie hat laut geschrien, wie sich das gehört und der Kerl hat ihr auch den BH zerrissen, bevor der Gastgeber gerufen hat: „Geht nach nebenan und macht nicht so’n Lärm.“ Mehr war nicht.

„Schau dir das an, alles kaputt“, sagt die Strähnige, „was soll ich denn nun meinem Mann sagen?“ Die Freundin schlägt vor, zu ihr nach Hause zu gehen und ihre Kleider anzuziehen, um den Ehemann auszutricksen. „Der merkt sowieso nichts“, sagt sie, „der iss immer duhn“. Die Strähnige gibt noch eine Runde aus von dem Geld, das sie als Entschädigung gekriegt hat von dem Vergewaltiger.

Ein Paar aus Wanne-Eickel, an einem der Steh-Tische, hat sich die Großstadt ganz anders vorgestellt. Nun ist das Geld weg und sie sind noch nicht besoffen genug, um im Tiergarten unter den Büschen zu schlafen. Sie ist kurz vor den Tränen und legt ihren Kopf in seine Hand und beide sitzen da und denken an die große Liebe, während sie in die Erbsensuppe schauen, um so mehr zu erfahren von der Zukunft. Er streichelt leise ihr Haar.

Ein Paar, er im dunklen Anzug, sie im kleinen Schwarzen, Opern-Uniform, löffelt die Erbsen-Suppe schweigend. Ihnen graut wohl vor dem Heimgehen und dem gemeinsamen Bett. Die Frau muss schon einige Whisky getrunken haben in den letzten 10 Jahren, jede Flasche sieht man im Gesicht. Nun schwankt sie zwischen Ehemann und Fußboden hin und her, nur gehalten von seinem Griff an der Schulter. „Du musst was essen“, sagt er, „sonst kotzt du mir wieder den Wagen voll“, und sie isst die Erbsensuppe und erzählt dem Löffel von ihrem unglücklichen Leben in endlosem Gebrabbel. Sie fürchtet wohl, dass er sie bald austauschen wird durch ein jüngeres Modell mit sechs Gängen.

Ich gehe dann den Kudamm lang in Richtung Wohnung. Am Zuntz, dem Café mit der seligen Witwe, prügeln sich zwei, aber weil sie so besoffen sind, treffen sie nicht, aber sie brüllen laut. Für größeres Publikum ist es aber die falsche Tageszeit, denn alle hetzen zur U-Bahn, um  was zu tun für den Fortschritt der Menschheit in ihren Großraum-Büros. Ich beschließe ohne Frühstück zur Bank zu fahren und vorher noch einen gesunden Schlaf zu machen für eine Stunde.

In der Uhlandstraße stelle ich dann fest, dass ich den Haustürschlüssel vergessen habe und nun muss ich im Hinterhof über den Zaun klettern. Ich falle natürlich runter, das passt zu dieser Nacht, muss dann das Knie sauber machen und irgendwas in die Wunde tun, bevor ich auf das Bett falle und gleich einschlafe, denn ich muss bald wieder raus, weil ich ja jetzt zur arbeitenden Bevölkerung gehöre, die immer pünktlich ist.