Kristin in den Blaubeeren, 1965. Foto: Paul Glaser

Kristin in den Blaubeeren, 1965. Foto: Paul Glaser

In Strömstad gibt es keine Kneipen, keine Eisdielen, nur ein Café, einen kleinen Holzbau mit einer engen Wendeltreppe nach oben, wo ein Balkon ist zur Straße hin, das Kaffedoppet. Dort sitzt eine kleine Schwedin, vielleicht 17 Jahre alt, eine dünne weiß-blonde Elfe, ganz schmal und gelenkig, kaum Brust, aber mit einem Elfen-Gang, hej, Mann, schau dir das an, so biegsam!  Und sie lacht ein lautloses Mitt-Sommer-Lachen und schaut den Männern durch die Pupille bis in die Kniekehlen. Die Weiß-Blonde heißt Bo.

Neben ihr die Freundin, die sanfte, runde, weiche Kristin. „Hej!“, sagen wir und die Mädchen sagen auch „Hej“. Zint hat sich Bo ausgesucht und für mich bleibt Kristin. Sie schaut mich an über den Tisch mit braunen Au­gen, die sagen: Willst du wissen, was ich denke?

Ich schlage ihr vor, dass wir unser Englisch gemeinsam verbessern und schaue ihr dabei in den Pulli. Sie hat wunderschöne runde Brüste, die zu mir sagen: „Na, Junge!  Wie ist es mit uns beiden?“ und ich setze mich zu ihr, Knie an Knie und sage: „Hej“.  Ich versuche ein Hirschröhren in der Kehle und ihre Augen sagen: Ist geritzt.

Dann dreht sie sich um zum Nebentisch, wo ihre Eltern sitzen, so um die 40 oder 45, und sagt ih­nen auf schwedisch, dass sie jetzt einen Jungen gefunden hat zum Probieren und mal kurz mit ihm weg­geht. Und der Vater sagt: Na gut, aber denk dran, wir wollen abends essen gehen. Und die Mutter sagt „Hej!“ zu ihrer Tochter und die sagt zu mir: „Let’s go!“

Wir gehen raus auf die sonnige Straße, an den kleinen Häusern vorbei, die ganz bunt strahlen als sie uns sehen, an den Booten vorbei, wo all die Ferien-Segler gerade ihre Kristins verstauen, gehen wir zu den Schären hinter der Stadt. Wir klettern über die glatten Felsen, die vor langer Zeit von den Gletschern glatt poliert wurden, damit wir gut darauf liegen können.

Kristin 1965. Foto: Paul Glaser

Wir suchen uns eine kleine Senke aus zwischen den glatten Felsen, wo der kalte Wind nicht so zu spüren ist und Kristin zieht den Pulli aus und die Hose und legt sich in die Sonne. Ich streichel ihre Brüste und sie erzählt, dass sie mit den Eltern hier Urlaub macht und nebenher Geld verdient als Zim­mermädchen und nebenher ihr Englisch verbessern will und nebenher auch ab und zu einen Jungen braucht, weil ihre Freundinnen da schon einen großen Vorsprung haben.

Deutsche Jungs haben gerade einen hohen Sammlerwert bei den Schwedinnen. Jeden Tag stehen schreckliche Nazi-Geschichten in den Zeitungen aus vergangener Zeit und wie verseucht die Bun­desrepublik auch heute ist und neulich hat wieder einer Heil Hitler gerufen. Und nun kann man solche Typen in Strömstad sehen, live.

Die jungen Schwedinnen können solch einem schlechten Ruf nicht widerstehen und wenn nach den Ferien auf dem Schulhof die Mädchen sich ihre Sex-Bilanz erzählen, werden sie blass, die Freundinnen, blass vor Neid: sie hatte einen Deutschen!

Bo 1965. Foto: Paul Glaser

Bo 1965. Foto: Paul Glaser

Bo hat zwei Jungs Vorsprung, sagt Kristin. Sie muss sich also ranhalten. Ihr Lieblingsfach in der Schule ist Mathematik und ihre Rechnung in Strömstad heißt: Wie werde ich Frau in vier Wochen und wie viele Jungs brauche ich dafür?

Ich streiche mit dem Zeigefinger rund um die Brüste und verspreche, ihr zu helfen beim Angeben.

Wir schauen über die Hunderte von kleinen Felsen-Inseln, die weißen Wol­ken ziehen, das Meer rauscht, die Möwen möwen und ein Sommerwind windet sich, ganz wie es das Reisebüro versprochen hat. Gleich neben uns wachsen einige Krüppel-Kiefern, einen Meter hoch vielleicht und dichtes Blaubeer-Gestrüpp ringsum, alle 100 Meter ein Gestrüpp, so einsam ist es hier, es ist eine wundervolle Gegend, nirgend­wo sind Eltern zu sehen.

Und dazu noch so eine von den halbnackten Schwedinnen, vor denen uns der Pfarrer immer gewarnt hat: die denken immer nur an das Eine! Aber, praktisch wie die Schwedinnen nun mal sind, machen sie das Beste draus: wenn es die Erbsünde schon mal gibt, dann wollen wir auch was davon haben.

Ich ziehe Kristin den Badeanzug aus. Sie ist am ganzen Körper braun, hat wohl immer nackt in der Sonne gelegen. Sie wirft mir einen von diesen braunen Blicken zu, zieht die Knie ans Kinn und verdeckt alles, was ich gerade frei gelegt habe. Ich verstehe: sie braucht ein Vor­spiel.

Wir diskutieren über Gott und die Welt und dass der Liebegott die Frauenbrüste gerade so groß gemacht hat, damit sie in Männer-Hände passen, schau mal, wie gut sie passen!

„Magst du sie?“ fragt Kristin und ich berühre mit spitzen sanften Lippen die Brustwarzen. „Oh, ja“, sage ich „I like them“.

Oh, sagt Kristin, ich habe noch mehr Körperteile. Das lasse ich mir nicht zwei Mal sagen und meine Finger wandern über ihre Hüften und die Oberschenkel nach innen und sie  bekommt eine Gänsehaut und ich frage: „Gefällt dir das?“

Sie meint, das könnte sie nur auf schwedisch beantworten und sie sagt alles auf Schwe­disch, was sie mir schon vorher mit einem Blick gesagt hat. „Willst du?“ fragt Kristin. Na klar, will ich. Sie hat, bei dem schlechten Ruf der Deutschen, nichts anderes erwartet, sie lehnt sich rück­lings ins Heidekraut.

Wir probieren es zunächst mit der Variante, die sie aus den Erzählungen ihrer Mutter kennt, ich liege auf der weichen Frau, ganz sanft und schaue in die braunen Augen, die mir sagen: Nun mal los, Junge!

Aber sie hat sich auf die Blaubeerstauden gelegt, hartes Kaut, das ihr in den Hintern piekt. Sie sagt nichts, hält tapfer durch und sie ist ganz still, aber die Au­gen sind verschwommen und sie macht dann einem tiefen Seufzer und ich bleibe so liegen.

„Die richtige Stellung zum Träumen“, sage ich. Sie sagt etwas auf schwedisch und ihre Hand streichelt meinen Rücken und sie sagt ein schwedisches Gedicht auf und kichert dann. Es muss ein ziemlich versautes Gedicht sein.

Als ich mich neben sie lege, zeigt sie mir das harte Blaubeerkraut, das rote Schrammen ge­macht hat auf Rücken und Po-Backen, die ich, zur Wiedergutmachung, leicht streichel mit den Lippen. Dann schauen wir den weißen Wolken zu, die es eilig haben nach Amerika zu ziehen, das links von uns liegt.

Wir suchen uns beide eine Wolke aus und warten bis sie miteinander verschmelzen. Die schämen sich überhaupt nicht, sagt Kristin.

Dann diskutieren wir wieder über Gott und die Welt und warum der Liebegott die Geschlechtsteile so ungeschickt anmontiert an, dass man komische Stellungen braucht.

Wir diskutieren Vor- und Nachteile. Wir können uns nicht einigen und beschließen, eben alles hintereinander auszuprobieren. Aber diesmal suchen wir eine piek-freie Stelle auf den glatten Felsen und sie bringt Schwung in die Sache, dass die Möwen eine Insel weiter fliegen.

Sie liegt dann auf der Seite, fingert mit dem Zeigefinger über meinen Körper und sagt bei jeder Fundstelle, wie das auf schwedisch heißt. Dazu summt sie ein Kinderlied und sagt, dass sie sich Fa­milienferien immer genau so vorgestellt hat: die Eltern passen auf, aber man merkt es nicht. Sie ist stolz, dass sie sich einen Jungen geangelt hat, der auch noch ganz sanft ist und sich Zeit lässt. „Da werden die anderen Mäd­chen aber neidisch sein“ sagt sie und ich verspreche ihr, dass ich mitkom­men werde zu den Freundinnen, damit sie besser angeben kann, vor allem vor Bo, ihrer Freundin, die zwei Jungs Vorsprung hat.

Und als wir dann in das einzige Café des Ortes gehen, in die erste Etage, sehe ich auf der engen Treppe Kristin unter den Rock und sie hat keine Unterhose an. Das muss ein sündiges Gefühl sein für sie, unter so vielen Menschen und ohne Unterhose. Ich flüster ihr ins Ohr: ich hab dir unter den Rock geschaut. Sie lässt mich versinken in ihren braunen Augen und sagt: Schon wieder so ein Trick, der bei den Männern funktioniert.

Als wir uns an den Tisch setzen, sind, wie vorhergesehen, die anderen Mädchen an den an­deren Tisch und tasten uns ab mit Blicken nach verdächtigen Zeichen.

Ich gebe ihnen eins und gehe mit meinen Lippen ganz nah an Kristins Ohr und hauche einen warmen Kuss hinein, der leichte Wellen durch ihren Körper schickt. Sie kichert albern und das ist genau, was die anderen so neidisch macht.

Es ist Selbstbedienung in diesem Lokal, ich hole uns Kaffee und als ich Kristin die Tasse hin­stelle, entdeckt Kristin irgendeinen Fussel auf meiner Hose und pflückt ihn mit spitzen Fingern  vom Reißverschluss und das heißt für die anderen Mädchen: Stellt euch doch mal vor, was in der Hose ist! Und alle Freundinnen stellen sich das vor, man kann es sehen. Kristin ist mächtig stolz, wie wir das beide bringen, ganz ohne Worte.

Bo kommt rüber und setzt sich zu uns. Sie hat ein Leinenkleidchen an, ein Strandkleid, ganz dünn, oben nichts und unten nichts und wenn sie sitzt, rutscht es hoch bis zur Hüfte. Sie hat einen blauen Slip an. Ich frage sie, ob ich mal anfassen darf. Ich darf und, ganz verdorbener Deutscher, fasse ich diese schmale Hüfte an und strei­che nach unten über die dünnen Oberschenkel und sie schaut mich tief an, mit so einem Jung-Mädchen-Beischlaf-Blick und macht die Beine ein wenig auseinander. Aber bevor ich zum Slip komme, meint Kristin, das sei nun erst mal genug Schau.

Bo ist zufrieden. Sie hat ein richtig nordisches Lachen, fast lautlos. Und Kristin rückt den Stuhl näher und flüstert mir was ins Ohr auf schwedisch. Das sollte wohl heißen. Schau dir diese Gänse an, die platzen vor Neid, denen rutschen schon die Unterhosen, so neidisch sind sie.

Ja, es ist ein harter Konkurrenzkampf bei den Frauen in Schweden. Sie haben strenge Gesetze gegen Belästigung und die Mädchen müssen sich deswegen viel Mühe geben, wenn sie belästigt werden wollen.

Kristin sagt auf Englisch, dass ich ihr versprochen habe, ihr meinen Schlafsack zu zeigen. Wir gehen also los, über die Straße, sind vom Café aus gut zu sehen. Ich lege den Arm um sie und wir gehen die Straße hinunter, Hüfte an Hüfte. Alle schauen uns nach. Kristin kann zufrieden sein mit mir.

Oben, in ihrem Zimmer unterm Dach ist es sehr heiß, sauna-heiß. Wir diskutie­ren noch ein wenig über Gott und die Welt und der Schweiß läuft uns hinunter. Ich liege auf dem Boden und sie steht vor mir, die Beine gespreizt, ein Kilometer Beine, wenn ich hoch schaue.

Sie sagt, sie hat wenig Zeit, sie muss zum Abendessen zu Hause sein, „My mom is waiting“, und ob wir uns nicht beeilen könnten.

Ich mache die Hose auf, aber ich kriege keinen mehr hoch und vertröste sie auf den nächs­ten Tag und sie sagt: „I’ll remind you“, und ich sage ihr: Bestimmt! Du hast noch eine Nummer gut bei mir.

So habe ich Kristin kennen gelernt und für den Rest ihrer Ferien ist gutes Wetter in Strömstad.

Wir probieren noch mehr Schären aus, mehr glatte Felsen. Ich liege auf dem Rücken, die weiche Kristin im Arm, unter dem blassblauen Himmel mit den eiligen Wolken, die nach Amerika ziehen, das jetzt rechts von uns liegt. Mein Kopf zwischen den runden Brüsten, sie streichelt meine Haare. Ganz ohne Worte unterhalten sich unsere Körper über die vergangenen 10.000 Jahre, als die Männer anfingen zwischen Frauenbrüsten zu liegen in den Ferien, so wie die Natur es vorschreibt. Und ich gab Kristin einen ganz leisen Kuss auf den Mund.

Sie hat Frühschicht und als wir uns am Nachmittag sehen, sagt sie: Bo hat jetzt wieder 2 Männer Vorsprung. Aber sie hat keine Lust mehr zu dem Spiel: wie sammel ich Männer. Solange es so gut klappt mit uns, sagt sie. Solche abgeschlossenen Paare sind natürlich uninteressant für die anderen Frauen, weil keine eine Chance hat, sich den Jungen zu angeln und so haben wir nun unsere Ruhe.

Dann sind die schwedischen Ferien vorbei. Die Familien fahren nach Hause und ihre Töchter auch. Kristin ist weg und ihre schönen Brüste hat sie auch mitgenommen.

Ich arbeite noch einen Monat, liege allein auf der Matratze und nutze die mädchenlose Zeit zum Schreiben. Bevor ich nach Deutschland zurückfahre, besuchen Günter und ich Kristins Familie. Sie wohnt in Linköping, Mittelschweden, in einem Holzhaus, sehr komfortabel eingerichtet, mitten im Wald.

Die Eltern sind sehr verständnisvoll und sagen uns, sie hätten schrecklich viel zu tun und müssten uns leider ganz alleine lassen für eine Weile.

Weil wir nicht viel Zeit haben, schlafen wir gleich im Wohnzimmer zusammen, noch einmal, zum Abschied. Kristin stöhnt sehr leise diesmal, wie es sich für eine höfliche Schwedin gehört, deren Eltern nebenan Fernsehen schauen.

Wir sehen uns nie wieder.

Zint hat seine Kniescheibe reparieren lassen im Krankenhaus und wir fahren zurück nach Berlin.

Kristin hat mir später noch einen Brief geschrieben, über Gott und die Welt, und zwischen den Zeilen auch über Heidekraut und Krüppelkiefern. Die Mutter hat nichts gegen den deutschen Jungen, aber nächste Woche ist wieder Schule, sagt sie, und du hast noch nicht einmal in das Chemie-Buch geschaut vor lauter Träumerei.

Kristin will in den Weihnachtsferien nach Berlin, aber die Mutter sagt: „Du bist noch zu jung für so eine Reise allein.“ „Next year I’ll ask again“, schreibt Kristin.

Ich habe nichts mehr von ihr gehört, aber ich bin wohl auch nicht mehr nötig für das weitere Jungmädchentraining. Sie wird als ruhige erfahrene schwedische Frau einen Mann neh­men, der zum Geschäft ihres Vaters passt und was er wissen muss über Gott und die Welt wird, wird sie ihm schon beibringen.

Vielleicht macht sie es, in Erinnerung an uns, im Heidekraut.

(Namen geändert)

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