Das ehemalige Schaubühnen-Gebäude am Halleschen Ufer 2017. Foto: Ulrich Horb

Ich verdiene seit langem wieder mal richtig regelmäßig Geld. Und bald will ich Millionär werden. Dazu will ich einen riesigen Musik-Schuppen aufmachen, wie es sie in New York gibt, Live-Musik, langhaarige Typen.

Mit einem älteren Kneipen-Besitzer aus Kreuzberg, Leopold Unger, genannt Poldi, der die Künstlerkneipe „Malkasten“ betreibt, mache ich das Zodiak auf. Wir pumpen uns dazu Geld bei der Bank. Ich habe damals eine mystische Phase, lese die Kabbala und alles über den Hexenkult, auch über Astrologie und da bin ich auf Zodiak gestoßen, die Tierkreiszeichen. Passt gut zu Belladonna oder Mescalin und natürlich zu diesem herrlichen mexikanischen Gras. Aber vielleicht sind es auch die Musiker, die zur Namensgebung beitragen, die mit ihren elektronischen Geräten für kosmische Klänge sorgen und im „Zodiak Free Arts Lab“ zusammenkommen, Musiker wie  Conrad Schnitzler, oder Hans-Joachim Roedelius.

Das Zodiak (oder Zodiac) wird am Halleschen Ufer 32 eröffnet. Dort hatte die Arbeiterwohlfahrt (AWO) einen Neubau mit einem Mehrzwecksaal errichtet, der bald jeden Zweck verloren hatte. Also vermietete die AWO den großen Konferenzsaal an ein politisch und sozial engagiertes Theaterprojekt, die Schaubühne. Die feierte dort im September 1962 ihre erste Premiere und von da an zahlreiche Erfolge. Unter dem Theatersaal war Platz für Gastronomie. Und ab 1968 eben für einen Club mit Live-Musik und Probenraum.

Das „Zodiak“ sollte ein Gesamt-Kunstwerk werden. Mit viel Licht-Effekten, sehr bunten poppigen Dekorationen, sehr lauter poppige Musik, Rock-Musik, Rebellions-Musik. Es sollte ein psychedelischer Untergrunds-Schuppen werden. Für die Drogen musste ich nicht sorgen, da war ich sicher. Jeder kann sich eine Gitarre schnappen und loslegen, kein Musik-Unterricht, keine Musik-Tradition ist nötig. Nur ein neues Lebensgefühl. Jeder ist Künstler, jeder lebt seinen Traum, unterstützt von Drogen und viel Wut auf diese Gesellschaft.

Das ehemalige Schaubühnen-Gebäude am Halleschen Ufer 2017. Foto: Ulrich Horb

Das ehemalige Schaubühnen-Gebäude am Halleschen Ufer 2017. Foto: Ulrich Horb

In Berlin versuche ich Stroboskop-Lichter zu bekommen, wie sie in New York schon in den Musik-Schuppen hängen. Sie sollen eine irre Kokain-Welt an die Decke werfen und die Tänzer zerhacken in keine Licht-Spritzer und jeder muss sich selber wieder zusammensetzen. Dia-Projektoren werfen psychedelische Muster an die bunt bemalten Wände, Öl-Mischungen zwischen zwei Dia-Gläsern im Projektor. Irgendwann wurde ein Raum auch ganz schwarz gestrichen. Die Musik musste so laut sein, dass sinnvolle Gespräche nicht möglich sind, nur Wort-Signale, Teil der Musik. Die Bewegung solle abschütteln, was wir so an Bildungs-Schutt mit rumtragen. Beweis für den Erfolg: viele junge Leute und ringsum ärgern sich alle.

Es kommt ein sehr gemischtes Publikum. Da sind die Studenten und die Kreuzberger Maler, die Auszubildenden, die von der elektronischen Musik begeistert sind. Da sind die „umherschweifenden Haschrebellen“, von denen einige später als Terroristen gesucht werden und zum Teil wie Georg von Rauch ein frühes Ende finden. Da sind Musikbegeisterte wie Burkhardt Seiler, der „Zensor“, der später den gleichnamigen Plattenladen für Punkmusik in der Belziger Straße eröffnet und  Ende der siebziger Jahre Konzerte der „Einstürzenden Neubauten“ organisiert.

Das Musikprogramm im Zodiak stellt etwas absolut Neues dar.  In dem großen bunten Saal spielen Bands psychedelische oder kokainische Musik, die Bässe wummern. In den dunklen Gängen gibt es Duftvorhänge aus „Grünem Türken“ oder „Schwarzen Afghanen“. Hier spielt die Musik, die im Ausland als „Krautrock“ bekannt wird. „Tangerine Dream“ treten auf,  „Agitation Free“ oder „Curly Curve“. Manche Namen, die auf den Plakaten des Zodiak angekündigt sind, werden später international bekannt.

Das Zodiak hatte die Bedürfnisse der revolutionären Jugend erkannt und alles hätte ein Erfolg werden können, wenn nicht über dem Lokal die „Schaubühne“ gewesen wäre, ein progressives Theater, das Goethe auf eine Art spielen kann, die ganz unverständlich, aber modern ist.

Wenn sie nicht gerade das Theater revolutionieren, dann prozessieren sie gegen uns und die Musik, die sie Lärm nennen. Im Nu bin ich eingedeckt mit Prozessen.  Das Gericht meint, das Theater sei hoch-subventioniert und schützenswert und die Musik darf erst anfangen, wenn der Goethe fertig ist. Und das ist sehr, sehr spät. Und das kostet viel Geld.

Das Zodiak ist riesig: Allein die Küche ist ausgelegt für 400 Mahlzeiten pro Schicht. Damit muss auch tagsüber Geld verdient werden. Busse müssen Touristen herankarren. Vom Fleisch-Großmarkt hole ich 400 Kassler-Koteletts für eine Reisegruppe. Der Koch nimmt die anti-bürgerliche Kneipe ernst und kommt nicht. Ich muss ihn aus dem Bett ziehen und unter die Dusche, damit er wieder nüchtern wird. Dies klappt nicht und jenes auch nicht. Mit Koteletts werde ich nicht Millionär, das wird schnell klar.

Dazu kommt die Polizei. Sie hat inzwischen mehrere Kurse gemacht „Wie lerne ich Drogen in 14 Tagen“ und vor allem, wie mache ich Razzien. Sie finden reichlich. Nun haben wir auch noch die Gewerbeaufsicht am Hals. Im Sommer 69 ist Schluss, nicht einmal ein Jahr gibt es das Zodiak da.

Wir gehen also pleite. Und weil ich schon 2 Jahre keine Steuern gezahlt habe, setzt das Finanzamt einfach eine Summe fest, was uns noch pleiter macht und zwar sofort vollziehbar. Poldi nimmt sich das Leben und ich muss einen Offenbarungs-Eid schwören, so heißt damals die Insolvenz. Ich verhandele lange mit Finanzamt. Sie setzen die Steuerschuld runter, aber die Gebühren bleiben, ich muss so an die 30.000 DM zahlen allein für die Steuerzinsen beim Finanzamt.

Die Verhandlungen mit den anderen Gläubigern dagegen sind leichter. Ich drohe mit einem Offenbarungseid und als sie weiter Geld wollen, mache ich ihn beim Amtsgericht.

Die Schulden liegen nun auf Eis für 30 Jahre. Es bleiben noch die privaten Schulden. Ich habe jeden aus dem Bekanntenkreis angepumpt und es dauert, bis ich das zurückgezahlt habe.

Natürlich wirkt sich das sofort auf das Privatleben aus. Ich kiffe noch mehr und ziehe morgens die Vorhänge nicht mehr auf, um die Welt draußen zu lassen. Dann schreibe ich das Tagebuch voll mit dem Elend unserer Gesellschaft und den schädlichen Einflüssen der Finanzämter auf die abendländische Kultur. Und das Geld fehlt auch. Ich habe so viele Schulden, dass ich mir selber auch kein Geld leihen würde.

Natürlich bestreiten die Mädchen, dass ihnen Geld etwas ausmacht, nicht mal fehlendes, jedenfalls solange wie genug Shit da ist, Schrippen zum Frühstück und Sekt zum Mittag, sowie auch ein Kneipenbesuch am Abend. „Iss doch nich zuviel verlangt, wa?“

„Na hört mal“ sage ich, „soviel kann ich gar nicht klauen, wie wir brauchen“.  Mit Bedauern müssen sie dann feststellen, dass ich immer phantasieloser werde.

Das ist das Ende meiner aktiven Beat-Zeit. Ich muss jetzt wieder auf dem Bau arbeiten.