1941 10.4.1941 geboren in Wolhynien, heute Ukraine, als Sohn eines deutschen Bauern. Die Familie hat dort mit anderen Kolonisten über 100 Jahre gelebt. Flucht vor der Roten Armee.
1946 eingeschult in Sachsen-Anhalt, sowjetische Besatzungs-Zone.
1950 Flucht in die Bundesrepublik. Ich war 9 Jahre alt.
1961 Abitur in Unna, Westfalen, Studium München
1963 Freie Universität Berlin, Studium Philosophie. Kein Geld von zu Hause, kein Stipendium, 2-3 Tage in der Woche gearbeitet bei Heinzelmännchen (Studenten-Dienst für Stunden-Jobs), u.a. als Putzmann bei der amerikanischen Armee. 1 Semester ausgesetzt, Arbeit als Eisenflechter auf dem Bau, u.a. beim Bau des Springerhauses beim Gleitbeton. Mit den Bauarbeitern durch die Kneipen gezogen am Stuttgarter Platz.
1964 per Anhalter nach Schweden, als Tellerwäscher gearbeitet. Das war mein Urlaub.
1965 Fahrt nach Schweden, Tellerwäscher in Strömstad. In Berlin bei der Disconto-Bank gearbeitet (später Deutsche Bank), in der Abteilung für notleidende Kredite. Zu meiner Arbeit gehörte, morgens in den Zeitungen nachzusehen, welche unserer Kunden sich erhängt hatten im Grunewald. Abschiedsbriefe abheften.
1966 In Hamburg gearbeitet bei Pan-Foto. Gehörte Günter Zint, den ich aus München kannte. Ich habe nicht fotografiert, sondern Innendienst gemacht. Erhalten ist eine Rechnung: John Lennons Haare für die Bravo. Lennon hatte Film-Dreharbeiten in der Lüneburger Heide. Der Friseur hat uns die Haare verkauft. Das war mein Einstieg in die Beat-Revolution.
1967 Für Danny die Teestube aufgebaut, gegenüber Kempinski-Hotel. Es gab ein Dutzend Teesorten, Haschisch musste jeder selber mitbringen, auch Schall-platten. Renner war: Yellow Submarine von den Beatles. Zum ersten Mal richtig Geld verdient.
1968 Das Zodiac gegründet in Kreuzberg. Es sollte ein großer Rock-Schuppen werden nach New Yorker Vorbild. Aufgetreten ist u.a. Tangerine Dream. Über dem Laden war die Schaubühne, ein Theater. Alle Prozesse verloren. Die Kneipe durfte erst öffnen, wenn der Goethe fertig war. Große Pleite, sehr viele Schulden. Mein Kompagnon ebenfalls. Er hat sich das Leben genommen.
Ab 1969 Schwarz gearbeitet als Fenster-Putzer in Neubauten. Drogenzeit in der Prinzenstraße in Kreuzberg. Im Kachelofen lag immer ein Paket „Roter Libanese“ für die Gäste.
1972 war ich ganz unten. Cocain und Amphetamine. Das Mietshaus wurde abgerissen. Ich zog in den 2. Hinterhof am Erkelenzdamm. Plumps-Klo eine halbe Treppe tiefer. Ich beschloss, normal zu werden und habe wieder gelernt, Alkohol zu trinken, weil man mit Haschisch nicht konkurrenzfähig ist in unserer Alkohol-Welt. Bald hatte ich die erste Kneipen-Schlägerei. Ich wurde also langsam normal.
1973 Der Gerichtsvollzieher empfahl mir, einen Job zu suchen, bei dem ich so wenig verdiente, dass er nicht immer wieder kommen musste. Ich wurde Hilfs-Arbeiter in einer Fabrik für Verkehrsschilder und nahm mir vor, ganz brav zu sein und bürgerlich. Nach einem halben Jahr habe ich einen Betriebsrat gegründet und 2 Jahre lang gegen den Unternehmer Prozesse geführt. Dann flog ich raus.
1976 Ich beschloss Fotograf zu werden. Dafür braucht man keine Lehre und nur wenig Geld. Der Spruch war: ein Presse-Fotograf ist jemand, der 2 Kameras hat und eine Freundin, die die Miete verdient. Die hatte ich. Es war also eine solide Firmengründung. Die ersten Fotos habe ich in der Badewanne entwickelt, die Tür mit einer schwarzen Decke abgehängt. Das war meine Dunkelkammer.
1977 Im Bezirksamt Kreuzberg habe ich den Pressesprecher Amonat kennen gelernt. Wir hatten ähnliche politische Ansichten und er gab mir Termine. Ich brachte Fotos unter in der Springerpresse von seinem Chef, dem Bürgermeister. Das war mein Einstieg in die politische Fotografie.
1979 Erste große Arbeit: der SPD-Bundeskongress in Berlin. Ich habe mehr als 100 Filme verknipst, mit einigem Erfolg. Die Politiker waren zufrieden und die Zeitungen auch.
1979 Ich habe die „Berliner Zeitung“ abonniert. Sie wurde mir jedem Tag nach West-Berlin geschickt. Ich brauchte Informationen, weil ich zu den Bildern Artikel schreiben musste, damit die Redakteure überhaupt wussten, worum es geht. In der „Berliner Zeitung“ stand nicht viel, nur das offizielle Zeugs. Mehr stand in den DDR-Bezirks-Zeitungen, aber die durfte ein Westler nicht kaufen. Es gab einen Ausweg. Das Gesamtdeutsche Ministerium hatte am Fehrbelliner Platz ein Büro. Dort durfte ich die Bezirkszeitungen lesen und auch andere DDR-Schriftstücke. Sie wurden vom amerikanischen Geheimdienst dem Ministerium zur Verfügung gestellt. So schaffte ich es zum Bespiel Artikel über Potsdam zu schreiben, die ein wenig aktuelle Informationen hatten.
1980 Beim Wohnungsamt, das gab es damals, eine Wohnung erhalten in der Ludwigkirchstraße, nicht weit vom Kudamm. Ein Zimmer war 14 Meter lang, hatte Marmorsäulen. Es war eine alte kaiserliche Offizierswohnung, Jugendstil, geschliffene Glastüren. Dem Gerichtsvollzieher habe ich davon nichts gesagt.
1980 Einstieg in mein zweites großes Thema: Ausländer. Bei der SPD-Zeitung wollte das niemand machen. So machte ich es. Ich habe linke und rechte Türken fotografiert. Die Reden der Rechten haben mir die Linken übersetzt und die Zitate waren sensationell für deutsche Zeitungen. Ich wurde der „Türken-Paule“. Die Fotos aus jener Zeit sind das Fundament meines Archivs.
1981 Nächstes großes Thema: Die Wohnungs-Spekulation in Berlin und die Gegenwehr. Mehr als 160 Häuser waren schließlich besetzt. Viele Pflastersteine waren nötig bis die Politik geändert wurde. Weiteres Thema: Atom-Rüstung. Die USA und die Sowjetunion wollten Atom-Raketen stationieren in Deutschland. Es gab viele Demos gegen die Amerikaner, Blockaden von Kasernen, Verhaftungen und Ermittlungs-Ausschüsse bei den Prostierenden. Ich war immer mittendrin.
1981 Wahlkampf in Berlin. Ich fotografiere für die Kandidaten Jochen Vogel und Richard von Weizsäcker. Die AL, später Grüne, druckt Plakate mit meinen Bildern.
1982 Besuche des amerikanischen Präsidenten in Berlin. Schwere Krawalle. Mein Haupt-Thema ist Nachrüstung und Friedens-Bewegung.
1985 Umstieg auf Computer. Weil es damals keine Archiv-Programme gab, habe ich selber eins geschrieben. In der Sprache dBase, mit Clipper in Maschinen-Code kompiliert. Dazu auch ein Strich-Code-Programm. Eine Laser-Pistole habe ich aus einem Supermarkt bekommen. Meine Frau hat die Fotos eingescannt, an die Zeitungen geschickt, die Rückläufer ausgescannt. Wir konnten jedem Zeitungs-Redakteur sagen, welche Fotos er schon hatte. Das Geschäft lief langsam sehr gut. Die alten Fotobestände verwalte ich immer noch über dieses Programm. Umsatz-Rendite 49 %. Ich kaufte zwei große Meteor-Entwicklungs-Maschinen aus einem Profi-Labor. Die Qualität stieg.
1988 Wahlkampf in Berlin. Ich fotografiere für den SPD-Kandidaten Walter Momper.
1989 Am Abend des 9. November war ich am Brandenburger Tor. Dort kletterten die ersten West-Berliner auf die Mauer und die DDR-Grenzer haben nicht geschossen. Es war das Ende der DDR. Ich bin bestimmt nicht sentimental, wie man aus meinem Lebenslauf sehen kann, aber in jener Nacht sind mir sind einfach die Tränen runter gelaufen.
1989 Bei einem SED-Sonderparteitag im Dezember habe ich mit Hans Modrow geredet, damals Ministerpräsident der DDR und SED-Funktionär, was wichtiger war. Ich habe ihn gefragt, ob ich nicht in der DDR fotografieren darf. Zwei Tage später hat mich seine Abteilung <Agitation und Propaganda> angerufen und gefragt: was willste fotografieren? Bitterfeld, hab ich gesagt. Von da an habe ich 5 Jahre nur noch die DDR fotografiert. Die Ossis waren viel exotischer als die Türken. Ich habe mir ein größeres Auto gekauft, in dem ich schlafen konnte. Das war immer noch besser als DDR-Hotels.
1990 Weil die DDR auf einer Akkreditierung bestand, habe ich mich für die Süddeutsche Zeitung akkreditieren lassen. Der Presseausweis ist die Erinnerung an den einzigen Vertrag, den ich je mit einer Zeitung geschlossen habe. Sonst war ich immer selbstständig. Mit der SZ hatte ich den Vertrag: ich musste jede Woche ein Titelfoto abliefern, sonst konnte ich machen, was ich wollte. Weil ich für die SZ gearbeitet habe, standen mir beim Fotografieren viele Türen offen. Vertrauens-Vorschuss.
1990 Ich durfte im DDR-Uranbergbau fotografieren, zunächst in Drosen, das noch in Betrieb war. Da fragte mich einer der Arbeiter, ein Mitglied der BGL-Leitung, der Betriebs-Gewerkschafts-Leitung, ob ich nicht morgen nach Ronneburg kommen möchte. Die Bergarbeiter wollten ihre Schächte besetzen. Sie hatten gedroht, dass sie radioaktives Material auf die Autobahn kippen würden, wenn nicht jemand aus Berlin kam zum Verhandeln. So fotografierte ich aus 600 Meter Tiefe. Dies Beispiel soll zeigen, dass die Macht-Strukturen der DDR zusammengebrochen waren. Ich redete nicht mehr mit den Betriebsleitern, gleich mit der Gewerkschaft, wenn ich in einem Betrieb wollte. Das funktioniert auch im Ausland. Von der polnischen Botschaft habe ich Telefonnummern von Zechen erhalten. Ich habe in der Zeche Kattowitz angerufen und nach einer Weile bin ich beim Direktor gelandet, der auch kein Deutsch, kein Englisch, kein Französisch konnte. Aber er hat die deutsche Putzfrau gerufen. Sie hat übersetzt. Ich durfte in der Zeche fotografieren.
1991 Luftaufnahmen von Berlin. Ich habe einen Hubschrauber gemietet. Bis dahin war Berlin Besatzungs-Stadt, Deutsche durften keine Luftaufnahmen machen. Jetzt durfte ich. (Eine Ausnahme gab es 1986. Da wollte ein texanischer Milliardär in Berlin investiere. Er hat sich die Stadt von oben angesehen, ich durfte mitfliegen gegen Gratis-Fotos. Sie waren nicht gut, weil ich durch den dreckigen Kunststoff des Hubschraubers fotografieren musste.)
1992 Ich habe Treuhand-Direktoren begleitet bei ihren Dienstreisen zu den DDR-Betrieben, vor allem Klaus Schucht, der für die Chemie-Industrie zuständig war. So konnte ich in vielen Betrieben Bilder machen.
1995 Die DDR ging langsam zu Ende, sie verschwand einfach, selbst die Plattenbauten wurden verwestlicht. Oder wie ein Bekannter, Alexander Longolius, sagte: Wir haben aus der Otto-Grotewohl-Straße die Otto-Versand-Straße gemacht.
ab 1995 Ich konzentrierte mich wieder auf die alten Haupt-Themen.
2005 Meine Frau ist schwerkrank. Ich mache die nächsten Jahre Kranken-Pflege.
ab 2005 Recherche der Familiengeschichte Glaser
6.11. 2018 Ursel Glaser stirbt
ab 2018 Arbeit an den biografischen Geschichten, weitere Digitalisierung des Fotoarchivs
2021 Krankenhausaufenthalte. Einrichtung der biografischen Internetseite