Ursel hat einen jungen schwarzen Kater gekauft, ganz schwarz, ein Schwarz mit einem roten Schimmer, wenn die Sonne drauf scheint. Er hat sehr lange Beine, die er elegant schwenken kann beim Gehen. Wir nennen ihn Joschka, nach dem Fischer. Aber dann stellen wir fest, dass er eine Sie ist und wir taufen sie um zu Josi.
Trixi übernimmt sofort die Erziehung der jungen Katze. Sie zeigt ihr wie man zur Toilette geht und richtig kratzt, nämlich erst mit der einen Pfote und dann mit der anderen, sonst verteilt Trixi Ohrfeigen. Auch wenn ihr Josi nicht den Vortritt lässt beim Futtern gibt’s Backpfeifen. In der Katzengesellschaft gibt es eben strenge Regeln. Wir mischen uns da nicht ein.
Trixi ist sie wie das Grundsatz-Programm der Wert- Konservativen: Diese jungen Dinger haben nur Flausen im Kopf, sie müssen lernen, wie man sich benimmt in Gesellschaft und ehre das Alter, haste verstanden? Sonst gibt’s was hinter die Ohren.
Josi ist eine sehr geduldige Katze. Sie erträgt das alles, aber richtige Liebe wird das nie zwischen den beiden.
Wir ziehen dann in eine sehr kleine Wohnung. Für die Katzen ist das eine große Umstellung und Ursel findet im Internet grausige Geschichten über Katzen, die ihr Revier wechseln müssen und deswegen in seelische Störungen geraten, die man beseitigen kann, wenn man ein Katzenbuch kauft. Da können wir ja froh sein, dass unsere Katzen nicht viel halten vom Internet und von Katzenbüchern.
In der neuen Wohnung müssen sie nur wissen, wo die Toilette ist und ob die großen Katzen ruhig sind oder in Panik. Und schon ist der Umzug erledigt.
Natürlich muss man sich umstellen als Katze. Es gibt keinen Hängeboden als Flucht-Ort, aber man kann sich einen Platz aussuchen unter dem Bett. Jedenfalls fällt den Katzen die Umstellung viel leichter als Ursel. Die hat Jahre gebraucht bis sie die kleine Wohnung ertragen konnte, ohne Marmor-Säulen und knarrendem Parkett. Es ist eine Rentnerwohnung, auch Zeichen dafür, dass man alt wird.
Aber Ursel und den Katzen helfen die Jahres-Rituale: Weihnachten und die anderen Familienfeste. In der alten Wohnung hatten wie einen 3 Meter hohen Weihnachtsbaum, in dem Trixi bis zur Spitze klettern konnte. In der neuen Wohnung ist der Baum sehr klein, dafür steht darunter ein Körbchen, in das sich Trixi legt. Sie ist dann im Weihnachtswald und erinnert sich an uralte Zeiten, als es rauschte im Wald und die Säbel-Zahn-Tiger auf Katzen-Jagd waren. Auch damals hat es so gerochen.
Der Vorteil von Weihnachten ist, dass die Großen zusammen essen, reden.
Die Katzen liegen dann auf der Couch und sind zufrieden. Kein Streit im Haus. Wahrscheinlich hören sie auch in der geheimen Katzensprache, welche Nachrichten die Großen ausstrahlen.
Trixi hat es mit dem Magen. Sie bringt das Futter immer gleich wieder heraus und hat Schmerzen. Wir gehen zum Arzt, aber der kann nichts finden. Sie ist eben alt, sagt der Arzt und uns wird es auch so gehen, wenn wir alt sind. Da wird auch alles weh tun und der Arzt wird nichts finden. Wir wollen ihr das Altern so leicht wie möglich machen.
Wir besorgen Katzenfutter für nierenkranke Katzen, dann bestes Schabefleisch. Es hilft nichts. Trixi bringt alles wieder heraus.
Irgendwann beschließt sie dann: es reicht! Sie hört auf zu essen. Egal, welche Leckereien wir ihr hinstellen, sie rührte sie nicht an. Nur Wasser trinkt sie. Sie wird immer dünner, beim Streicheln spürt man jeden Knochen. Sie genießt das Streicheln und trotz der Schmerzen schnurrt sie. Sie schaut uns dann an mit ihren großen Augen: nicht aufhören! Weil sie sehr schwach ist trägt Paul sie im Körbchen zu Toilette, zum Wasser-Napf.
Sie liegt ganz ruhig und gelassen und wartet auf ihren Tod. Sie stirbt 2 Wochen lang, wird immer schwächer, ganz dünn ist sie, aber sie schnurrt, wenn man sie streichelt und sie schaut mir in die Augen und sagt: Mach dir keine Sorgen! Es ist eben Zeit, zu gehen!
Nachts habe ich das Körbchen mit ins Bett genommen, direkt neben mein Kopfkissen gestellt, wenige Zentimeter von meinem Kopf liegt sie. Ich schaue ihr in die Augen und die sagen mir: Leb wohl! Es ist nun soweit!
Und ich streichel sie und sage: Leb wohl, Katze. Es war eine schöne Zeit mit dir. Sie legt eine Pfote auf meine Hand und wir wissen beide, wir sind nicht so verschieden wie es aussieht, wir kommen aus der gleichen Natur. Wir haben eine Sprache, die keine Worte braucht. Es reichen Blicke. Von solchen Gesprächen hat die Wissenschaft keine Ahnung, nur die Dichter wissen davon. Und ich wünsche mir, dass ich das Sterben auch einmal so würdevoll ertrage wie Trixi.
Wie schnurrt mir noch ein kleines Gedicht und dann muss ich eingeschlafen sein.
Als ich aufwache, ist sie tot. Die Pfote liegt noch auf dem Korb-Rand, direkt neben meinem Kopf-Kissen, ihre Augen hat sie geschlossen.
Josi trauert nicht
Josi ist richtig erleichtert, dass sie nun nicht mehr hin- und her geschubst wird von Trixi. Sie teil sich ihr Reich neu ein. Abends um Sieben kommt sie ins Büro und erinnert mit lautem Miau an den Feierabend und Paul gehorcht. Zu den Nachrichten im Fernsehen gehört, dass er Katzen-Tabletten wirft, so gross wie eine Münze. Nach diesem Ritual legt sich Josi auf die Couch, rechts von Ursel, und schaut zu, was diese verrückten Großen machen am Abend. Wenn es sehr gut läuft, wird sie gestreichelt und, später am Abend geht sie ins Schlafzimmer, wartet auf dem Bett, das Gesicht zur Tür, dass die Großen kommen für ein Gute-Nacht-Streicheln. Sie legt sich dann neben Ursels Kopfkissen.
Katze und Mensch
Natürlich gehört Josi die Wohnung. Sie liegt mitten im Gang, genau in der Tür und jeder muss rübersteigen, der ins Zimmer will. Voller Vertrauen liegt sie da. Die Grossen tun mir nichts.
Nachts ist das anders. Sie wartet meist auf dem Bett und wenn wir im Dunklen kommen, dann betätigt sie die Hupe: Miau!!. Sie weiss eben, dass die grossen Tolpatsche im Dunklen schlecht sehen können. Man muss ihnen dann alles sagen, damit sie sich nicht auf eine kleine Katze setzen.
Schlafen mit Ursel
Josi hat eine kleine Decke direkt neben Ursels Kopfkissen. Dort schläft sie, manchmal schnarcht sie. Sie liegt da nicht wie eine Katze zusammengerollt, sondern lang ausgestreckt. Wenn Ursel auf der linken Seite liegt, liegt Josi auch auf der linken Seite und wenn Ursel auf der rechte Seite liegt, dann liegt Josi auch auf der rechten Seite, lang ausgestreckt.
Wenn zu wenig Platz ist, dann sagt sie laut: Hej, mach mal Platz! Miau!
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